Brachycephales Obstruktives Syndrom (BOAS)

Was bedeutet Brachycephales Obstruktives Syndrom (BOAS)?

 

Die sogenannten brachycephalen (kurzköpfigen) Rassen erfreuen sich schon seit langer Zeit einer großen Beliebtheit, sowohl bei Hunden als auch bei Katzen.

Französische Bulldoggen, Möpse, Englische Bulldoggen, Old English Bulldog, American Pocketbully und Perserkatzen sind die bekanntesten Vertreter dieses Rassetypus. Der Ausdruck brachycephal bezieht sich auf die Schädelform der Tiere. Die Schädelform wurde runder und kürzer gezüchtet, als bei anderen Rassen, wodurch ein von vielen Menschen als niedlich empfundenes Aussehen entstand. Die Züchtung auf den verkürzten und runderen Schädel führt allerdings zu gravierenden, mitunter lebensbedrohlichen Problemen, nicht nur an den Atemwegen. Die Erkrankungen, die durch diese Zucht entstehen, werden unter dem Begriff „Brachycephales Obstruktives Syndrom (BOS)“ , oder in Englisch „Brachycephalic obstructive airway syndrome (BOAS) zusammen gefasst. Wenn ein Patient vom BOS betroffen ist, bestehen mehrere Probleme mit unterschiedlicher Ausprägung.

 

 

Stenotische Nasenlöcher
Korrigierte Nasenlöcher, 6 Monate nach der OP
Korrigierte Nasenlöcher, 12 Monate nach der OP
Korrigierte Nasenlöcher, 3 Wochen nach der OP
Korrigierte Nasenlöcher, 6 Monate nach der OP
Korrigierte Nasenlöcher, 6 Monate nach der OP

 

Die Hauptmerkmale des BOAS sind:

Verengte Nasenlöcher (stenotische Nares)

Die Luftpassage durch die Nase behindernde Nasenmuscheln (hypertrophe Conchen)

Ein zu langes und verdicktes Gaumensegel

Kehlkopfkollaps

Ein verkleinerter Durchmesser der Luftröhre (hypoplastische Trachea)

 

Die klinischen Auswirkungen der beeinträchtigten Atmung zeigen sich in verminderter Leistungstoleranz, langem Nachhecheln nach der Belastung und oft auch in Form von Magenbeschwerden wie Erbrechen von Schleim, vermehrtes Grasfressen, Aufstoßen, Schmatzen und Schlecken. Die Atemnot kann allerdings auch so gravierend sein, dass die Patienten von den normalen Anforderungen eines Hundelebens (Autofahren, Besuch, Füttern) so überfordert sind, dass sie zyanotisch werden (blaue Verfärbung der Zunge) und sogar kollabieren.

Es muss an dieser Stelle ganz klar gesagt werden, dass jedes Nebengeräusch bei der Atmung ein Anzeichen für eine Einengung der Atemwege ist. Grunzen, schniefen und röcheln ist weder normal, noch Rasse-spezifisch. Nebengeräusche bei der Atmung entstehen durch Turbulenzen im Luftstrom. Turbulenzen entstehen dann, wenn der Luftstrom nicht frei fließen kann, also behindert oder eingeengt wird.

Das Tückische am Brachycephalen Obstruktiven Syndrom ist, dass es im Laufe des Lebens des Patienten immer schlimmer wird. Wenn ein Welpe im Alter von 8 Wochen leichte Nebengeräusche bei der Atmung zeigt, so „verwachsen“ diese sich nicht, sondern werden im Gegenteil mit zunehmendem Alter stetig schlimmer. Das Gewebe, das den Luftstrom behindert, leidet unter der permanenten Irritation. Es wird dicker und fester. So entsteht letztendlich ein Teufelskreis. Episoden von starker Atemnot, wie sie bei Aufregung, Belastung, Stress auftreten können, fügen dem Gewebe bleibenden Schaden zu.

Es ist aus diesem Grund nicht ratsam abzuwarten, wenn Sie bei Ihrem Tier Probleme bemerken, sondern sofort aktiv zu werden. Bitte warten Sie auch saisonale Einflüsse nicht ab. Wenn Ihr Tier im Winter gut atmet und im vergangenen Sommer Probleme hatte, so sind diese Probleme nicht verschwunden, sondern kommen mit den warmen Temperaturen unumgänglich wieder zurück!

 
Zu langes und verdicktes Gaumensegel
Zu langes und stark verdicktes Gaumensegel
Korrigiertes Gaumensegel, 3 Jahre nach der OP
Korrigiertes Gaumensegel, 5 Jahre nach der OP
Korrigiertes Gaumensegel, 3 Wochen nach der OP
Korrigiertes Gaumensegel, 12 Monate nach der OP

 

Der Ablauf Ihres Termins

 

Zu Beginn Ihres Termins untersuche Ihren Hund im wachen Zustand. Im Anschluss an die Untersuchungen folgt die weiterführende Diagnostik mit den ersten Operationen in derselben Narkose, am selben Tag.  Um einen Patienten richtig einschätzen und ihm so optimal helfen zu können, müssen alle oben aufgeführten anatomischen Abweichungen kontrolliert und beurteilt werden. Um die innen liegenden Anteile des Atemapparates untersuchen zu können, ist eine Narkose notwendig. Die Narkose ist beim brachycephalen Patienten nicht gefährlicher als bei jedem anderen Patienten, wenn die anatomischen Besonderheiten bekannt sind und berücksichtigt werden.

In der Narkose werden zuerst Mund- und Rachenhöhle untersucht, damit beurteilt werden kann, wie lang das Gaumensegel ist, ob der Kehlkopf kollabiert, ob die Stimmtaschen chronisch verändert sind, wie breit und dick die Zungenbasis ist und ob die anderen anatomischen Strukturen in diesem Gebiet gesund sind (Zähne, harter Gaumen, Zahnfleisch, Unterzungengrund, etc.).

Danach wird Ihr Hund intubiert, damit die Luftpassage für die Atemwege die ganze Zeit über gesichert ist. Als Intubation bezeichnet man das Einführen eines speziellen Silikonschlauches (Treacheotubus) in die Luftröhre über den Weg der Mundhöhle.

Um die Luftröhre und die Brustwirbelsäule darstellen zu können, wird ein Röntgenbild des Brustkorbes angefertigt. Es folgt die genaue Beurteilung der Nasenlöcher und der Nasenmuscheln. Hierfür wird ein CT Scan des Schädels angefertigt und die Nasenhöhle anschließend mit der Kamera untersucht (Rhinoskopie). Der CT Scan zeigt im Detail, ob die Nasenmuscheln verdickt sind  und die Atmung behindern. Ergänzend werden rhinoskopisch die Nasenmuscheln im Detail dargestellt. 

 

Direkt im Anschluss an die Diagnostik wird Ihr Hund operiert. Das hat zum Vorteil, dass Ihr Hund nicht zweimal unter Narkose muss und Sie nicht von vornherein zwei Termine wahrnehmen müssen.

Der erste chirurgische Eingriff konzentriert sich auf die prominentesten Engstellen. Das sind in der Regel das zu lange Gaumensegel, die zu engen Nasenlöcher und hypertrophe Nasenmuscheln. Wenn chronisch veränderte Stimmtaschen vorhanden sind, werden diese auch entfernt.

 

Meine langjährige Erfahrung mit brachycephalen Patienten zeigt mir, dass es für die Patienten von großem Vorteil ist, wenn besonders vorsichtig und schonend mit dem Gewebe umgegangen wird. Jede Operation führt in einem gewissen Maße zu Schwellung. Das gehört zu dem natürlichen Ablauf von Trauma und Heilung. Eine übermäßige Schwellung im Bereich der sowieso schon sehr engen Atemwege eines BOS Patienten kann allerdings katastrophale Folgen haben. Mein Ziel ist es, dass Ihr Hund ohne Komplikationen die Narkose und Operationen übersteht und dass wir für jeden Patienten ein individuell auf den einzelnen Patienten angepasstes Set an Eingriffen zusammenstellen. Wenn ein Patient beim ersten Screening chronisch vergrößerte Nasenmuscheln mit wenig Platz für Luftpassage zeigt, empfiehlt es sich, diese Nasenmuscheln zu verkleinern. Hierzu verwende ich seit September 2016 die in der Tiermedizin gänzlich neue Radiofrequenztechnik zur Volumenreduktion (Coblation). Der Vorteil gegenüber der älteren Methode der Laser-assistierten Turbinektomie liegt in der Erhaltung der Funktionalität der Nasenmuscheln und der geringen Belastung für den Patienten. 

 

Volumenreduktion der Nasenmuscheln mit Radiofrequenztechnik (Coblation) 

 

Wenn ein Patient chronisch vergrößerte Nasenmuscheln mit wenig Platz für Luftpassage hat, empfiehlt es sich, diese Nasenmuscheln zu verkleinern. Hierzu verwende ich die in der Tiermedizin neue Radiofrequenztechnik zur Volumenreduktion (Coblation). Bei der Volumenreduktion werden die Nasenmuscheln nicht entfernt, sondern in ihrem Inneren mit Radiofrequenzwellen behandelt. Die Nasenmuscheln schrumpfen und ziehen sich im Heilungsverlauf zusammen. Vorteil dieser minimalinvasiven Methode gegenüber dem Entfernen der Nasenmuscheln ist, dass die Luftpassage nach der Heilung nicht mehr behindert wird, aber die Nasenmuscheln und ihre Funktion erhalten bleiben und der Eingriff für den Patient sehr schonend ist. Diese Verfahren wende ich seit September 2016 mit überwiegend sehr gutem Erfolg an. Die Volumenreduktion wird in der Humanmedizin schon seit etwa 40 Jahren für verdickte Nasenmuscheln angewendet. 

Auch Menschen leiden unter verminderter Luftpassage durch die Nase aufgrund von hyperplastischen (vergrößerten) Nasenmuscheln, Abweichungen in der Position der Nasenscheidewand (Septumdeviation) und einer Erschlaffung des Gaumensegels. In der humanmedizinischen HNO, wie auch in der Tiermedizin geht der Trend schon lange in Richtung minimalinvasive Chirurgie. Man versucht mit kleinen Eingriffen an verschiedenen Stellen den Patienten zu helfen (Multilevelchirurgie) und nach Möglichkeit, diese Eingriffe so schonend wie möglich für den Patienten zu gestalten. Bei den brachycephalen Patienten kommen mit großer Regelmäßigkeit abnormal gestaltete Nasenmuscheln vor. 

Da es sich bei den Nasenmuscheln um regeneratives Gewebe handelt, können unter umständen mehrere Eingriffe notwendig sein. 

 
Verdickte (hypertrophe) Nasenmuscheln, linke Nasenhöhle
Linke Nasenhöhle, 6 Monate nach Volumenreduktion
Verdickte (hypertrophe) Nasenmuscheln, rechte Nasenhöhle
Rechte Nasenhöhle, 6 Monate nach Volumenreduktion

Verdickte (hypertrophe) Nasenmuscheln, linke Nasenhöhle

Linke Nasenhöhle, 6 Monate nach Volumenreduktion 

 

 

Verdickte (hypertrophe) Nasenmuscheln, reche Nasenhöhle

 

 

Rechte Nasenhöhle, 6 Monate nach Volumenreduktion 

 

Kelkopfkollaps

 

Einige wenige Patienten haben eine sehr ausgeprägte Form des Kehlkopfkollapses, die trotz Korrektur der dem Kehlkopf vorangeschalteten Engstellen (Nasenlöcher, Nasenmuscheln und Gaumensegel) weiterhin zu Atemnot in Belastungssituationen führt. Auch für diese anatomische Veränderung gibt es chirurgische Ansätze, die für solche Patienten eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität ermöglichen.

 
Kehlkopfkollaps Grad 1
Kehlkopfkollaps Grad 2
Kehlkopfkollaps Grad 3
Korrigierter Kehlkopfkollaps, ehemals Grad 3
 

Terminabsprache

 

Wenn Sie einen Termin bei mir wünschen, nehmen Sie bitte direkt mit mir Kontakt auf. Wir klären dann im Vorfeld Ihre Fragen und schauen gemeinsam, welche Kooperationsklinik oder Kooperationspraxis für Sie von der Lage her in Frage kommt. Das hat den Vorteil, dass die Fahrtzeit für den Patienten reduziert wird und so ein großer Stressfaktor wegfallen kann.

Wenn Sie sich Sorgen wegen der Narkose machen, oder einfach diesbezüglich besonders viele Fragen auftauchen, sprechen Sie mich gleich zu Beginn unseres Termins oder auch gern vorab darauf an, damit ich Ihnen erklären kann, was tatsächlich die Risiken sind und wie wir mit den Risiken umgehen, um die Narkose so sicher wie möglich durchzuführen. 

 

 

Woher weiß ich, dass mein Hund betroffen ist? 

 

Viele Besitzer und Besitzerinnen sind sich unsicher, ob ihr Hund eine normale Atmung hat.  Leider kursieren über eine normale Atmung bei brachycephalen Rassen viele Annahmen und Vorstellungen, die mit der klinischen Realität der Hunde nicht viel zu tun haben. Hier gilt es genau hinzusehen und aufmerksam hinzuhören, damit Abweichungen einer normalen Atmung und Atemnot in ihren unterschiedlichen Abstufungen erkannt und behandelt werden kann. Je nach Schweregrad zeigt sich Atemnot anhand verschiedener klinischer Symptome.

Die meisten Menschen erkennen intuitiv die Anzeichen für hochgradige Atemnot wie Blauverfärbung der Zunge, verminderte Belastbarkeit oder Kollabieren. Mit etwas mehr Information wird es Ihnen möglich sein, schon frühere Anzeichen für eine eingeschränkte Atmung zu erkennen. Hierbei muss ganz deutlich gesagt werden, dass bei gesunden Hunden keine Nebengeräusche bei der Atmung auftreten. Es gibt Französische Bulldoggen, Möpse und Englische Bulldoggen (um nur ein paar brachycephale Rassen zu nennen), die keine Nebengeräusche bei der Atmung zeigen. Leider sind diese Tiere selten. Die Mehrheit zeigt begleitende Atemgeräusche wie Schniefen, Schnauben, Schnarchen, Röcheln oder sogar Pfeifen. All diese Geräusche sind ein klares Zeichen dafür, dass die Luft nicht frei durch die Atemwege strömen kann („freiatmend“), sondern dass durch die veränderte Anatomie eine Einengung der Atemwege stattgefunden hat. Dementsprechend gibt tatsächlich keine „typischen Bullygeräusche“. Nebengeräusche bei der Atmung sind kein ein einer Rasse zugehöriges Attribut, sondern ein Zeichen für eine eingeengte Atmung. Wenn Sie sich Ihre letzte Erkältung, oder die eines Ihnen nahestehenden Menschen vor Augen führen, werden Sie sich vielleicht auch an unterschiedliche Nebengeräusche erinnern können. Bei Menschen haben wir die Gewohnheit, schon sehr leise Nebengeräusche als abnormal, besorgniserregend und als ein Anzeichen für eine nicht gesunde Situation einzustufen, denn wir wissen, dass auch leise Nebengeräusche bei uns selbst oft ein Zeichen für eine subjektiv sehr stark empfundene Einschränkung sind. Wenn sie diese Sensibilität auf die Nebengeräusche des Hundes übertragen, sind Sie auf dem richtigen Weg.

Vielleicht haben Sie Lust, bei einem kleinen Experiment mitzumachen?

Indem man bei sich selbst Nebengeräusche bei der Atmung hervorruft, kann man von innen in sie hineinspüren und so den Ort ihres Entstehens besser einschätzen. Halten Sie Ihre Nase mit zwei Fingern an den Nasenflügeln leicht zu und variieren Sie die Position Ihrer Finger in Richtung der Nasenwurzel. So provozieren Sie ein Schniefen oder Schnauben. Schnarchen können Sie provozieren, indem Sie die Nase hochziehen oder das Gaumensegel flattern lassen (mit offenem Mund einatmen und dabei die Konsonanten „ch“, aussprechen wie in dem Wort „Schacht“). Ein Röcheln entsteht, wenn sie vorsichtig (!) den Kehlkopf zusammendrücken und versuchen, trotzdem mit offenem Mund normal zu atmen. Bitte passen Sie bei der Manipulation am Kehlkopf auf, dass Sie sich keinen Schaden zufügen und bleiben Sie beim spielerischen, schmerzfreien Aspekt. Röcheln hervorzurufen braucht mitunter ein wenig Übung.

Wenn Sie vertrauter mit den verschiedenen Atemgeräuschen sind und auch mit dem Ort ihres Entstehens, kann das Ihnen zusätzlich helfen, die klinischen Symptome Ihres Hundes besser einschätzen zu können.

Wenn ein Patient mit BOS vorgestellt wird, hören wir oft einen Mehrklang durch die Überlagerung der verschiedenen Nebengeräusche. Wir wissen weiterhin, dass die anatomischen Engstellen einander beeinflussen. Eine Einengung der oberen Atemwege führt zu einer Erhöhung des Unterdruckes beim Einatmen im Brustkorb und zu einer Zunahme der Turbulenz des Luftstromes, der durch die Atemwege strömt. Das kann man an sich selber auch sehr gut nachvollziehen. Wenn Sie sich die Nase zuhalten, und trotzdem versuchen, einzuatmen, spüren Sie, wie der Unterdruck im Brustkorb zunimmt. Es wird angenommen, dass dieser Unterdruck den Zustand des Kehlkopfes negativ in Richtung Schwellung und Kollaps beeinflusst. 

 

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HNO-Chirurgie von Doernberg